… und damit meine ich die direkte. Der Bezirk hat insgesamt eine dynamische Entwicklung. Seit Jahren steigende Grundstückspreise, überall zu beobachtender Generationswechsel, Mangel an Mietwohnungen und Gentrifizierung der Innenstadt haben unseren beschaulichen Vorort erheblich verdichtet. Alle hier in den letzten Jahren zugezogenen haben einen sogenannten Migrationshintergrund. Wir gehören schließlich zu Neukölln. Die Neubauten sind meist recht groß bis riesig, ebenso die Autos. An finanzieller Potenz scheint es hier nicht zu mangeln. Leitungen unter den Straßen müssen erneuert werden, gebietsweise Abwasser- und Frischwasserleitungen, die Gaslaternen wurden durch LED-Laternen ersetzt (mancher kann jetzt nachts ohne eigenes Licht lesen). Von neuen Stromversorgungsleitungen und Glasfaser habe ich bisher allerdings noch nichts gesehen.
Das eintönige Dröhnen der Dieselmotoren von Baggern verschiedener Größe, unterstützt von scheppernden LKW-Anhängern die über die zerschundene Straße brettern, zeitweise übertönt von den Zweitakt-Motoren von Beton-schneidenden Trennschneidern und Kettensägen sind hier zum Soundtrack des Alltags geworden, während die Luft bei Windstille nach Diesel stinkt – unterstützt von dem Mief des abgelassenen Kerosins der Flugzeuge vom BER-Flughafen. Wenn du denkst, die eine Baustelle ist vorbei, fängt der nächste an. Wenn ich mich so umsehe……


An den Stellen, wo nicht gegraben wird, lagert das Material für die Baustellen und es ist immer wieder überraschend, welche Umleitungen noch eingeführt werden (Bei Neubauten werden zur Bauzeit ganze Straßen gesperrt). Einbahn-Regeln werden beschildert, die Einhaltung derselben wird als Option betrachtet, ähnlich die Tempo 30 Vorgabe.
Die Alten gehen weg
Vor und während der Corona-Zeit hatte es angefangen. Alte Einwohner haben ihre Häuser verkauft, weil es viel Geld für die Grundstücke mit Haus gab. Die kleinen alten Häuser wurden hier renoviert (anders als in den meisten anderen Fällen) – die Baggerei drumherum hatte hatte mir dabei schon die Homeoffice-Zeit erschwert. Im Jahr 22 kam die Welle näher, der erfolgreiche Eigenumbauer vom übernächsten Grundstück rückte näher, er hatte ein Drittel der Nebenparzelle gekauft. Er wollte ein neues Haus bauen, das alte und die Bäume mussten weg.


Wenn man die Gegend als „grün“ kennt und überall Bäume stehen, ist man überrascht und befremdet, wenn plötzlich alles hell und kahl ist. Aber natürlich hatten die Fichten auch eine unverhältnismäßige Größe angenommen.



Der neue Ausblick Richtung Norden ist gewöhnungsbedürftig. Der Baumfäller hat die langen Stämme im Ganzen auf seinen Anhänger gelegt und abgefahren. Die kürzeren wurden in Scheiben geschnitten. Während wir uns noch mit der Covid-Infektion rumquälten wurde nebenan abgerissen. Man sah jetzt erst, wie groß die bebaute Fläche war und welche Mengen Material entsorgt werden mussten.


Erst einmal war Pause. Warten auf Genehmigungen ist in unserem Dorf ja üblich und da muss der Bauherr Geduld beweisen. Bewegung kam rein und Vermesser rückten an, da die Teilung im Grundbuch und Kataster ordentlich vermerkt wird. Es gab sogar einen offiziellen „Verkündigungstermin“, an dem ich als Nachbar geladen war. Dann ging es los, unsere Fassade war mittlerweile fertig.


Danach ging es recht schnell, wir hatten uns allerdings gewundert, das der ganze Rohbau im Winter erstellt wurde. Form und Bauweise des Gebäudes waren für uns Nachbarn auch erstaunlich. Auch die Versorgung mit Leitungen war dann eine spannende Sache, die hinteren Nachbarn fanden das weniger komisch, vom Bau der Einfahrt und dem drumherum ganz zu schweigen. Schade, das es doch immer wieder zu Zoff kommen muss – fing doch alles so gut an.


Der Winter sollte wohl kein Problem sein (wir hatten früher gelernt, das Beton zum aushärten eine Temperatur von +5°C braucht – und 28 Tage Zeit), allerdings brachte der Sommer mit ein paar starken Regenfällen einigen Ärger, mittlerweile sollte die Cousine einziehen. Nach dem Regen wollte sie wohl nicht mehr. Im Sommer wurde das Haus fertig, den Innenausbau haben wir nicht gesehen.



Nun steht er da, der Würfel. Mit Gasheizung – Abgasrohr auf der Fassade außen. Zahlreiche Interessenten haben auf die Annoncen reagiert und besichtigt. Das war es bisher. Das Gestrüpp wächst wieder.
Unsere Sonnenseite
Lange Zeit war das Gelände neben uns mit einer kleinen Hütte bebaut, die noch vom Vor- Vorbesitzer stammt, aus der Zeit meiner Kindheit. Diese ursprünglich recht hübsche Sommerhäuschen war durch den Besitzerwechsel (etwa Ende der 1970er Jahre) dem Verfall preisgegeben. Es wurde nicht genutzt, die Besitzer ließen das Häuschen vergammeln. Der Garten wurde nicht gepflegt, aber immerhin das Gras gemäht. Der Zahn der Zeit oder der gemeine Holzwurm ließen den Dachstuhl marode werden und als wir in den 1990er Jahren hier einzogen, hatten bereits die Füchse und Vögel die meiste Zeit dort gehaust. Wir erfreuten uns an der Blüte der Bäume und den Äpfeln, die noch echtes Aroma hatten. Das erste Entsetzten packte uns, als der Eigentümer etwa 2010 ein paar Gelegenheitsarbeiter die Hütte einreißen ließ. Warum auch immer – es dauerte zwei Jahre bis der Bauschutt runter war und die Erde wieder grün. Weiter passierte nichts. Die Bäume blieben stehen, verfielen aber auch zusehends. Sowohl die Nachbarn der anderen Seite als auch wir bekundeten mehrfach Interesse am Kauf des Grundstücks, als die Preise noch ziviler waren. Wir hätten nur die Gärten erweitert. Der alte Mann ließ nicht mit sich reden. Nun war es leider soweit, über die Deutsche Bank wurde ein solventer Käufer gefunden, zu einem Preis, der zwar niedriger als zunächst aufgerufen aber auch für die Nachbarschaft zusammen zu hoch war und wohl jetzt dem Bodenrichtwert entsprach. Dieser hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Seien wir dankbar, das wir die vergangenen Jahrzehnte unseren „Vor-Garten“ hatten. Hoffentlich wird das neue Haus nicht zu groß. Erst einmal wurde gerodet:


Diese riesige Fichte hat der Baumfäller in einem Stück hingelegt. In kurzer Zeit war sie dann zerkleinert und auf dem LKW geladen. Offensichtlich waren hier hier Profis bestellt worden. Innerhalb von Fünf Stunden waren alle Bäume mit Stumpf entfernt und das Holz restlos abgefahren worden. Ich habe nicht einmal nach etwas Kaminholz gefragt.


So sah es aus, als die Truppe fertig war (mittlerweile blühen ein paar Krokusse):

Derweil sind die Aktivitäten des Zauber-Baus auf der Straße weiter im Gange. Emsig fahren der große und der kleine Bagger von hier nach da, wird Beton zerhämmert und Boden verdichtet. Fortschritte erschließen sich meist nur eingeweihten, die Gruben werden geöffnet und wieder geschlossen. Immerhin sind die bisher an der Oberfläche installierten Wasserrohre jetzt in der Erde. Als ich eines der alten Wasserrohre gesehen habe (ein Stück) war ich erschrocken und habe bei den Wasserwerken einen Antrag auf Erneuerung der Hausanschlussleitung gestellt. Die liegt bei uns seit 60 Jahren, exakt so lange wie die Rohre unter der Straße. Habe sehr schnell eine Zusage von den Wasserbetrieben erhalten, die Auswechslung im Rahmen der Erneuerung vorzunehmen, allerdings machen das nicht die gleichen Bauarbeiter (hätte ich gedacht), sondern statt derer die „Hausanschlussbrigade“ – die Grube auf dem Gehweg bleibt solange abgedeckelt.



Nach zwei Tagen Baupause sind dann die Hausanschlussleute da gewesen. Das ging wirklich zügig. Der schöne neue Weg am Haus musste natürlich aufgerissen werden.
Erneuerung der Trinkwasserleitung zum Haus – Meine Zeit



Während der Steinsetzer und sein Gehilfe mühsam den Gehweg auf der gegenüberliegenden Seite unseres Weges wieder errichten (mit Bagger, Rüttler und Steinsäge), sind die Dachdecker jetzt beim Haus gegenüber – hier wird komplett neu gedeckt. Derweil wird der Rest unseres Weges inklusive unseres Gehwegs komplett vom Durchgangsverkehr ruiniert. Die Straße ist eng geworden, jeder LKW fährt auf den Gehweg, die Platten brechen, die Kantensteine auch.