Meine Zeit

Eindrücke aus dem Leben nach der Erwerbsarbeit

Eiderstedt im Herbst 25

Wieder mal an die Nordsee fahren, Ebbe und Flut, Wind und Sonne, möglichst Nordfriesland. Das war die Motivation. Eine simple Netz-Recherche führte zu einem eher abgelegenen Ferienhaus auf der Halbinsel Eiderstedt bei dem überschaubaren Örtchen Uelvesbüll – ideal für eine Woche zum Ausspannen und Unternehmungen in unmittelbarer Nähe, und das zu einem fairen Preis.

Die freundlichen Besitzer wohnen im Haus nebenan, so hat man bei Bedarf Ansprechpartner. Die zweite Wohnung hier im Haus ist zu unserer Zeit nicht belegt, auf der Weide gibt es aber tierische Nachbarn:

Das Haus ist im 18. Jahrhundert gebaut worden, natürlich zur Erhaltung mehrfach renoviert. So sind zum Beispiel die Aussenmauern sehr ordentlich aus neuen Klinkern nachgemauert worden- man sieht verschiedene Generationen Klinker. Das Reetdach ist erst vor kurzer Zeit professionell erneuert worden, es gibt eine Gas- Brennwertheizung mit 22er Heizkörpern unter jedem Fenster und sogar einen Glasfaser-Anschluss für die Mediatheken. Die Inneneinrichtung ist recht urig und nahe am Original gehalten, ein bisschen wie in den Kapitäns-Häusern des 20. Jahrhunderts.

Trotzdem ist alles da, was wir heute gewohnt sind – und so kann man es eine Weile gut aushalten.

Der Ort Uelvesbüll sagte mir bis vorher eher gar nichts, bis ich erfuhr, das hier vor dem Deich einer der bedeutendsten Funde aus dem Schiffahrtsmuseum Husum gehoben wurde: Das Schiffswrack von Uelvesbüll aus dem 16. Jahrhundert, konserviert in Zuckerlösung, das hatten wir schon vor Jahren bewundert.

Sankt Peter Böhl und Ording

Der erste ganze Tag, den wir hier verbringen ist ein Sonntag, die Temperaturen sind noch sommerlich und man denkt automatisch an den heimischen Garten, zumal der angekündigte Regen am Samstag komplett ausgefallen war (das muss er jetzt aushalten). Wir machen es mal wie die anderen Touris und fahren nach SPO – da ist Platz genug für alle.

Es ist ja bekannt, das die Küstenbewohner an solchen exponierten Lagen von Piraten abstammen und dem arglosen Fremden bereits beim Parken und Betreten des Strandes das Fell über die Ohren ziehen, daher ärgern wir uns mal nicht. Freuen wir uns lieber an den friedlichen Tieren auf den Wiesen vor dem Böhler Leuchtturm.

Wir haben unseren Sonntagsausflug am südlichen Zipfel des Strandes an der Westküste von Eiderstedt begonnen. Die Fläche der Strände ist so riesig (jetzt ist auch noch Ebbe) , das wir nach 3 Kilometern immer noch nicht am Wasser waren und den Bogen um ein paar Pfahlbauten wieder zum Deich liefen. Zurück zum Auto sind wir dann nach Ording gefahren um den Strand dort nochmals zu besuchen. Das ist dann der nördliche Zipfel, dazwischen liegt der eigentliche Tourismus-Hotspot Sankt Peter Bad, den lassen wir mal aus. Hier ergibt sich ein total anderes Bild:

Die Vielfalt der Strandlandschaft erinnert an Römö – riesig breite Teile, die auch überflutet werden, Dünen mit feinem, weißen Sand und Salzwiesen. Von dieser Stelle oberhalb von Ording (hier sind auch Campingplatz und Hundestrand) sieht der Besucher hinüber nach Westerheversand zum Leuchtturm, den wir später einmal näher betrachten werden.

Tönning

Ein Ausflug nach Tönning sollte in dieser Woche nicht fehlen. Das Städtchen ist besonders durch das Multimar-Wattforum und den hübschen Hafen bekannt. Bisher waren wir nur im Multimar ( mit den Kindern).

Der Hafen von Tönning liegt hinter dem Eidersperrwerk und ist daher vor Sturmfluten geschützt. besonders hübsch ist er , wenn die Krabbenkutter darin liegen. Die sind zumindest heute nicht da, Krabben sind sowieso selten geworden, der Hafen von Tönning spielt wirtschaftlich keine Rolle mehr.

An der Eidermündung, unmittelbar am Sperrwerk ist ein neuer Hafen entstanden, dort sind heute eher noch Schiffe anzutreffen. Wir haben uns aber den historischen Hafen und die Stadt angesehen, sind über den Deich zum Schlosspark gegangen.

In dem alten Hafenbecken sind nur noch Klein- und Sportboote zu finden, zum Teil liegen sie bei Ebbe auf dem Wattboden. Das alte Packhaus ist das größte Gebäude und heute eine Kunsthalle.

Es gab 1583 einmal ein Schloss in Tönning, gebaut von Visionären um Herzog Adolf, die auch einen Kanal von der Eider zur Ostsee bauen wollten. Das Schloß mit vier Türmen wurde abgerissen, weil die regierenden Dänen mal wieder sparen wollten und der Unterhalt zu teuer war. Konsequente Banausen. Im Stadtbild um den Marktplatz finden wir zum Teil schöne Fassaden.

Sehr prominent im Stadtbild ist die Kirche mit ihrem mächtigen Turm, sie hat innen ein sehr auffallendes, restauriertes Tonnendachgewölbe aus Holz mit Malereien und eine schöne Orgel.

Die Kirche ist sehr schön anzusehen, man kann außen wie innen verschiedene Bauabschnitte nachvollziehen und die Schnitzereien bewundern. Bereits im 12. Jahrhundert soll hier die erste Kirche gestanden haben. Im Mittelalter wurde sie zerstört und später wieder aufgebaut, und so weiter.

Wir wollen noch Fisch kaufen und gehen zurück zum Hafen, dort unterhält die Fischereigenossenschaft eine Verkaufsstelle mit regionalem Fang, frisch und geräuchert.

Wenn man eine Weile durch ein Städtchen getippelt ist, ist es gut für Kopf und Beine, wenn man am Abend noch zum Deich radelt und der Sonne hinterher schaut.

Westerhever

Na dann wollen wir mal. Der Leuchtturm von Westerhever ist sicherlich der bekannteste in Deutschland. Von Bierwerbung bis Reiseführer – Ein Wahrzeichen für Deutschland, bekannt wie Neuschwanstein. Den schauen wir uns natürlich mal an. Von Uelvesbüll immerhin noch 20 min Fahrzeit, zumal ich nicht so rase wie die Ortsansässigen hier. Vom Parkplatz aus muss man zu Fuß aufbrechen, immerhin erfährt der Kunde hier, das der historische Stockenstieg heute noch geöffnet ist, zum letzten Mal für ein halbes Jahr. Glück gehabt erst mal. Also nix wie los – frisch auf in Richtung Stockenstieg , andere haben den deutlich längeren betonierten Weg eingeschlagen. Nach geschätzt 500 m, am Zaun zum historischen Weg dann eine Pforte mit Hinweisschild: Der Stieg ist nur einseitig in Richtung Deich – also vom Turm aus zu begehen. Das stand am Parkplatz nicht dran. Aha, na gut, wir sind hier ja folgsam, sind ja Gäste und keine Eroberer. Also kehrt gemacht und auf den 3,5 Km langen Weg über die Straße zum Turm….

Der Weg zieht sich unglaublich, aber wenn man dann da ist und auch der Himmel noch ein wenig aufreisst, dann ist das schon ein mächtiger Anblick. Der Turm ist auf 127 Eichenpfählen gegründet und hat eine Plattform und einen Sockel aus Beton. Darauf ist die Stahlkonstuktion befestigt. Die Leuchtfolge wird durch eine rotierende Schlitzblende erzeugt, die Tragweite beträgt 21 sm für ws. Inbetriebnahme 1907, es gibt noch zwei baugleiche Türme im Hörnum und Pellworm. Nebenan befinden sich zwei Leuchtturmwärterhäuschen. Wir gehen mal näher ran.

Und stellen fest, das ausgerechnet heute der Aufgang nicht möglich ist. Dienstags geschlossen. Ok – hätte man wissen können. Schwamm drüber, dafür ist heute der Stockenstieg noch geöffnet ! Zum letzten mal in diesem Jahr.

Der Stockenstieg ist ein schmaler Weg aus Klinkersteinen und war früher die einzige Verbindung der Leuchtturmwarft zum Festland. Im Winterhalbjahr ist er oft für lange Zeit überschwemmt. Da der Leuchtturm als wichtiges Seezeichen immer besetzt sein musste (alle 8 Stunden Leuchtstab wechseln – die Xenon Gasentladungslampe war noch nicht erfunden), hatte der Leuchtturmwärter eine Dienstwohnung mit Nutzgarten, die Vorräte mussten ausreichend sein. Der Pfad führt durch die Salzwiesen, die eine spezielle Vegetation hervorgebracht haben.

Zwischen den Salzwiesen vernetzen sich Prile, die bei Ebbe leer laufen. Bei Sturmfluten ist der gesamte Bereich überschwemmt. Der Salzwiesenstreifen zwischen Deich und Leuchtturm ist über 1,5 Km breit.

Der Leuchtturm Westerheversand markiert die südliche Position der Einmündung des Heverstroms in die Nordsee, also der Fahrrinne nach Husum zwischen Eiderstedt und Nordstrand/Pellworm. Der Heverstrom in der jetzigen Breite von 30 Km bildete sich nach der großen Sturmflut von 1362 (1. Grote Mandränke) nach dem Untergang des berühmten Rungholt. Die Norderhever bildete sich nach der Sturmflut 1634 und wurde durch den Dammbau nach Nordstrand später weitgehend trocken gelegt.

Friedrichstadt

Klein Amsterdam in Nordfriesland. Dieses Städtchen zwischen Treene und Eider mit den Grachten und Brücken haben wir schon vor Jahren mit den Kindern mehrfach besucht. So auch diesmal. Immer wieder nett.

Friedrichsstadt wurde durch Herzog Friedrich III von Schleswig – Gottorf gegründet. Er bot Holländischen Religions-Flüchtlingen die Möglichkeit, hier eine Handelsstadt zu errichten.

Durch die bei Stadtgründung verbriefte Religionsfreiheit entstand eine „Stadt der Toleranz“ mit verschiedenen Glaubensrichtungen, die miteinander friedlich zusammenlebten (Remonstranten, Juden, evang. Mennoiten, Quäker).

Die Stadt wurde im Holländischen Stil errichtet, mit hübschen Fassaden, bezaubernden Gassen und diversen Geschäften und Restaurationen. Die gepflegten Haustüren sind hier besonders:

Verschiedene Glaubensrichtungen bedeutet auch: Verschiedene Gotteshäuser. Hier zwei Beispiele:

Manche Fassade ist etwas schief, mancher Eingang ist über Außentreppe zu erreichen.

Die Gattin ist zwischendurch im Teekontor verschwunden und zum Schluss gab es ein besonders gutes Eis vom echten Italiener (Mon Cheri und Amarena). Auch die öffentliche Toilette ist neu und sauber – kostenfrei zu benutzen.

Wir konnten am Markt kostenfrei parken und der Weg zurück zum Ferienhaus war mit nur 12 Km schnell zurückgelegt. Da bleibt am Abend noch Zeit für einen kleinen Weg mit dem Fahrrad im Land. Hier ist die Maisernte immer noch voll im Gange – die arbeiten rund um die Uhr.

Die Schafe bleiben wohl bis nach Sonnenuntergang

Und heute hat es doch noch geklappt, einen schönen Sonnenuntergang zu erleben

Husum

Na denn fangen wir doch gleich mit der prominenten Husumerin an. Sie steht mitten auf dem Markt:

Die Fischersfrau krönt einen Brunnen, der natürlich „Tine Brunnen“ genannt wird und mitten auf dem Marktplatz vor der Marienkirche steht . Wir haben von hier aus einen geführten Stadtrundgang gemacht.

Die Kirche hat der dänische Meister des Klassizismus Christian Frederik Hansen entworfen, sie wurde um 1830 erbaut

An diesem Ort stand zuvor die gotische Marienkirche von 1510. Diese war eine der größten gotischen Kirchen mit einem 100m hohen Turm. Sie wurde 1807 wegen Baufälligkeit abgerissen. Selbst die Regierung in Kopenhagen hat diese Aktion damals gerügt, die auch als „Einer der größten Verluste der Architekturgeschichte Schleswig-Holsteins“ bezeichnet wurde. Schade drum. Schauen wir uns weiter um:

Husum hatte sich nach dem Untergang von Rungholt und durch den Zugang zur Nordsee zu einem florierenden Handels- und Fischereizentrum entwickelt. Heute hat die Fischerei in ihrer Bedeutung stark abgenommen.

Auch hier wird das Hafengebiet immer mehr für kulturelle Zwecke umgewidmet.

Zumindest bei schönem Wetter wirkt die Stadt nicht grau (Am grauen Strand am grauen Meer, der Nebel drückt die Dächer schwer). Naja, es wird ja auch mal Januar…

Ein Schloß haben die Husumer auch, das „Schloß vor Husum“ hat die Besonderheit, das das Eingangshäuschen prachtvoller aussieht, als das Schloß selbst.

Der Turm ist aber ganz imposant. Das Schlösschen wird genutzt als Café und für Konzerte in kleinem Rahmen

Nach unserem Rundgang lassen wir uns noch im Tine Café am Hafen zu einem Pott Kaffee und einem Stück Torte nieder. Für einen Tag war das genug, wir werden noch einen zweiten Tag herkommen und das Nissen Haus anschauen. Es ist das Nordfriesland Museum , benannt nach seinem Stifter Ludwig Nissen, ein Husumer, der als Diamanten Dealer reich geworden ist. Das Haus hat eine interessante Architektur:

Das Gebäude an sich ist schon den Besuch wert:

Mir sind die hochwertigen Materialien und die perfekte handwerkliche Arbeit (Treppen, Klinker) aufgefallen.

Aber nun zum Eigentlichen: Die Sturmfluten haben das Land und die Menschen in Nordfriesland und Dithmarschen geprägt und so steht das Thema Sturmfluten und Küstenschutz sowie der Klimawandel im Mittelpunkt der Ausstellungen. Angefangen und sehr eindrucksvoll präsentiert mit der Geschichte um Rungholt

Das ist die Karte vom legendären Ort Rungholt, der reichen Handelsstadt, in der die Leute gut lebten, Reichtum anhäuften, Raubbau an der Natur betrieben und den Küstenschutz vernachlässigten, schließlich mit der gesamten Stadt in der „Groten Mandränke“ 1362 im Blanken Hans versanken. „Trutz Blanke Hans“, das Gedicht von David von Liliencron erinnert eindrucksvoll daran, wir kennen es besonders gut in der musikalischen Aufbereitung von Achim Reichel. Hier liest Volker Lechtenbrink in einem Audiofile in der Ausstellung, es sind Fundstücke ausgestellt und im Filmbeitrag werden Aufstieg und Fall der Stadt simuliert.

Durch die Sturmfluten wurde die Küste Nordfriesland in die heutige Form gebracht, Husum hat so überhaupt erst den Seezugang erhalten, das Wattenmeer ist immer noch in Bewegung und was als Kööge dem Meer abgewonnen wurde muss heute und in Zukunft immer mehr vor dem steigenden Meeresspiegel geschützt werden. Küstenschutz und Deichbau bilden im Nissen Haus einen Schwerpunkt.

Deichbau früher und heute: Der moderne „Klimadeich“ kann noch 2m erhöht werden, da steigende Wasserstände erwartet werden. Sandanspülungen sollen die Küsten ebenfalls schützen, ggf. Lücken schließen. Hier der Spülsaugbagger im Modell:

Eine Gemäldesammlung wird präsentiert und es werden die Haustypen der Höfe in Nordfriesland am Modell beschrieben so z.B. das Geesthardenhaus und der Eiderstedter Haubarg

Typisch für ein Heimatmuseum wird anhand von Exponaten das Leben der Bewohner in vergangener Zeit beschrieben, mit der „Föhrer Stube“ ist ein Wohnhaus aufgebaut, Trachtenkleidung erinnert an die Menschen. Das Leben war durch das Wetter bestimmt und insbesondere durch die Nordsee, den „Blanken Hans“.

Nach den vielen Eindrücken haben wir uns von Husum noch einmal am Hafen verabschiedet, bei Kaffee und Kuchen. Die Sonne war hinter grauen Wolken verschwunden, der Wind frischte auf. Für den Abend war noch starker Regen angekündigt. Wir haben unser Zeug im Ferienhaus gepackt, ich habe den Nordseekrimi zu Ende gelesen. Samstag früh sind wir dann zurück, Autobahnfahrt im Regen, in Böen 10. Die Fähren zu den Inseln blieben im Hafen, es gab Sturmflut.

Buch: Küstenfluch Autor: Hendrik Berg

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